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Der Schriftsteller Manfred Böckl der in seinem Buch "Schlangenring und Werwolfstein. Keltische Sagen aus dem deutschen Sprachraum".den Versuch unternommen hat “ keltisches Sagengut im deutschen Sprachraum zu entdecken” hat sich auf meine Anfrage hin der Zauberfrauen angenommen:
“...nun konnte ich mich intensiver mit Ihrer sehr interessanten Sage beschäftigen und will Ihnen sagen, was ich dazu meine.
Zunächst der Name der Duttfee: Ich würde sagen, da stecken die süddeutschen Dudden oder Duddeln drin, die weiblichen Brüste. Hier in Niederbayern sind diese alten Bezeichnungen im Dialekt bis heute in Gebrauch, und ich denke, bei Ihnen wird es ähnlich sein, oder? Der Stadtname Tuttlingen leitet sich meiner Ansicht nach eher von den Duddeln als von dem sagenhafter Gründer Tuto ab. Denn ginge es um Tuto, so hätte sich daraus wohl die Ing-Form Tutingen entwickelt (Siedlung des Tuto), aber es heißt ja Tuttlingen, was wohl eher auf Duddlingen zurückgekt: Siedlung, die mit den Duddeln, den Brüsten, zu tun hat. [aus einer späteren mail :”:Nochmals zum Ortsnamen Tuttlingen: Eine Ing-Ableitung von Tutilo hätte Tutiloingen gelautet, da ist die Ing-Ableitung von Dutt beziehungsweise Duttl zu Tuttlingen doch schon näherliegend. (Das schreibe ich, weil ich neulich, glaube ich, vom Namen Tuto ausgegangen bin.”))
Diese besonderen Brüste fanden sich ja auch auf der Figur der Duttfee, die nach alten Zeugnissen eine heidnische Göttin war. Diese Brüste waren sehr groß, und die Göttinnenstatue selbst war janusartig (vorne und hinten je ein Gesicht und dazu die überdimensionalen Brüste).
Nun kennen wir aus dem Keltischen janusgesichtige Darstellungen von Gottheiten; zum Beispiel von der Boa-Insel in Irland. Das ist die Insel der Göttin Boa(nd), und Boand ist eine Fruchtbarkeitsgöttin. Sie wurde als Kuh gedacht, die verschwenderisch Milch spendet; sie ist aber auch der irische Fluß Boinne (an dem Newgrange liegt), der das Land befruchtet. - Und Milch spendet ja auch die Dutt aus ihren besonders großen Brüsten, so daß man in ihr wohl eine süddeutsche Göttin Boand sehen kann, wobei die Namen der keltischen Gottheiten ja sehr vielfältig waren, während andererseits die Gottheiten selbst immer die gleichen göttlichen Grundprinzipien verkörpern.
Also, wir hätten in der Duttfee, durch ihre großen Brüste symbolisiert, eine Fruchtbarkeits- oder Muttergöttin - oder anders ausgedrückt: die rote, mütterliche Erscheinungsform der Dreifachen Göttin. Doch das ist längst noch nicht alles; vielmehr scheinen mir in der Duttfee verschiedene Göttinnen der Kelten verschmolzen worden zu sein. Als janusgesichtige Göttin blickt sie sowohl in die Diesseitswelt als auch in die Anderswelt; sie verbindet also beide Welten, und das wäre eher das, was die schwarze (oder blaue) Erscheinungsform der Dreifachen Göttin tut: das irdische Leben über den Tod in die Anderswelt führen und es in der Anderswelt auf die Rückkehr in die irdische Welt, die Wiedergeburt, vorzubereiten. (Und deshalb könnte die Statue auch aus blauem Sandstein gefertigt gewesen sein: um den schwarzen oder blauen Charakter der alten und weisen Göttin auszudrücken.)
Wir finden in den Sagen aber auch sehr deutliche Hinweise auf die keltische Pferdegöttin Epona oder Rhiannon. Das sind die Schimmel, die von den "Zauberinnen" gehütet werden. Diese Pferde arbeiten nicht wie normale Tiere, sondern werden offenbar als heilig verehrt, und man opfert ihnen. Es sind (in den Sagen überwiegend so dargestellt) drei Schimmel, was meiner Ansicht nach wieder auf die Dreifache Göttin anspielt: diesmal eben in ihrer Erscheinungsform als Epona oder Rhiannon. Die Pferde aber sind weiß, was der jungen, liebreizenden Göttin Brigid entspricht: der Quellgöttin (die dann in Tuttlingen bezeichnenderweise sogar noch jahrhundertelang auf dem Stadtbrunnen gestanden haben soll, was vielleicht eine verwaschene Erinnerung an eine heilige Brigid-Quelle im Duttental sein könnte). Etwas verschlüsselt taucht die junge Göttin Brigid oder die jugendliche, weiße Erscheinungsform der Pferdegöttin (die man sich ebenfalls in den drei Erscheinungsformen der Dreifachen Göttin denken kann) aber auch noch in den Sagenteilen von dem (jungen) Mädchen auf, das Pferde hütet und dann der christlichen Prozession begegnet. Und da passiert dann etwas Erstaunliches: Die Christenprozession fliegt bei der Begegnung mit dem Pferdemädchen (der Göttin) in die Luft (wird quasi hinweggefegt), und statt dessen taucht nun das alte "Schloß" auf, das, wie es in einer Sage heißt, vielleicht das "Schloß" der Duttfee war - nämlich einer der keltischen Andersweltpaläste, wie ich sie in den keltischen Sagen aus Deutschland und Bayern vielfach gefunden habe.
Ich denke also, daß wir es bei der Duttfee oder den Duttfeen mit einer Verschmelzung verschiedener keltischer Göttinnen zu tun haben: der Dreifachen Göttin in ihren unterschiedlichen Gestalten und dazu der Göttin Epona oder Rhiannnon. Und da Rhiannon sich in der Schreibform Rhiannwn als "Königin der Anderswelt" übersetzen läßt, berührt sie sich hier wieder mit der janusgesichtigen Statue, die sowohl ins Diesseits als auch in die Anderswelt blickt.
Das Duttental scheint ein heiliges heidnisches Tal (eben das Holigen- oder Heiligentäle) gewesen zu sein, wo Priesterdruidinnen wirkten, die den Göttinnen dienten und den Menschen viel Gutes taten, und diese Druidinnen waren offenbar auch Heilerinnen, wie aus den Sagen hervorgeht. Und in einer der Sagen wird dann noch ausgedrückt, daß sich diese keltisch-heidnische Tradition auch noch nach der Christianisierung der Gegend bewahren konnte und daß die bereits christianisierten Menschen in einer Notzeit noch einmal ins Heidentum heimkehrten, weil ihnen von der Druidinnen Hilfe kam.
Zuletzt noch ein Wort zur Besiedelungsgeschichte der Gegend: Das Land um Tuttlingen war ursprünglich keltisch, wurde dann aber 15. v. d. Z. von den Römern erobert und besetzt. Die keltische Bevölkerung wurde jedoch nicht ausgerottet, sondern unterworfen, was bedeutet: speziell die keltischen Bauern- und Handwerkerfamilien lebten unter römischer Herrschaft weiter und konnten sicher - gerade abseits der römischen Machtzentren - auch ihre Bräuche und ihre Religion bewahren. Es waren dann halt romanisierte Kelten, die aber im religiösen Sinn immer noch in keltischer Tradition lebten. Später dann zogen sich die Römer nach Italien zurück, und germanische Alemannen eroberten das Land. Die Germanenstämme der ersten nachchristlichen Jahrhunderte gingen bei Eroberungen aber relativ human vor. Sie beanspruchten das beste Drittel des eroberten Landes für sich und ließen den Besiegten, also den romanisierten Kelten, die beiden anderen Drittel, so daß sich weiterhin keltische Traditionen bewahren konnten. Außerdem waren die Alemannen ebenso wie die überlebenden Kelten polytheistische Heiden und verfolgten deswegen niemanden wegen seiner Religion. Erst später kam die Christianisierung durch die römische Kirche und die Franken, mit denen die Päpste im Bündnis waren, und erst da begannen die Zwangschristianisierungen. Das war aber schon um die Zeit Karls "des Großen", und dann dauerte es immer noch lange, bis das Heidentum weitestgehend zerstört war. Und so kann sich eben auch die Göttinnenreligion bei Tuttlingen noch bis ins Mittelalter herauf erhalten haben, im abgelegenen Duttental - und die Erinnerung daran reicht über die Sagen bis in unsere Zeit herauf.
Und noch ein Wort zu Wodan, wo es in einer Sageninterpretation heißt, es hätten im Duttental Wodan-Kulte stattgefunden, denn es seien nur Wodan Pferdeopfer dargebracht worden. Das ist natürlich Unsinn. Denn es geht ja in den Sagen gar nicht darum, daß Pferde geopfert wurden; sie wurden vielmehr verehrt und sehr liebevoll von den Druidinnen behandelt. Und wenn die heiligen Schimmel nicht geopfert wurden, haben wir es auch nicht mit einem Wodan-Kult zu tun, sondern eben mit keltischer Verehrung der Pferdegöttin, von der der Autor dieser Wodan-Interpretion offenbar nichts wußte....”
( mail Juni 2009)
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